For the love of Gin

Was nützt Dir die geilste Gin-Auswahl im Lokal, wenn kein Gast weiß, was er eigentlich warum und wie trinken sollte? Mit unserem Gin-Blog wollen wir Euch ab sofort einen kleinen Einblick in die große, weite Welt des Gins geben. Egal, ob Ihr Euch tatsächlich als unsere Gäste in Köln durch die Gin-Auswahl im Café Storch probiert – oder Eure Eskapaden anderswo erlebt. Ganz Service-orientiert quasi: Eine Trinkhilfe für all diejenigen, die gerne mal den ganzen Hype mit dem Gin verstehen wollen und Lust haben, beim nächsten Bar-Besuch mal etwas anderes zu probieren. Und dann doch nicht so recht wissen, was der richtige Gin für sie sein könnte. Übrigens: Es war verdammt schwer, beim Schreiben dieses Artikels auf sämtliche Gin-Wortspiele zu verzichten.

Ab sofort gibt’s hier also den Serviceteil zum Geschehen vor Ort: Ich werde mich – nur für Euch… selbstlos, ich weiß! – alle zwei Wochen ins Café Storch setzen und jedesmal einen anderen der gut zwei Dutzend Gins verkosten. Und beschreiben, wie er pur und mit welchem Tonic Water am besten schmeckt. Irgendjemand muss es ja tun  Um besorgniserregenden Assoziationen vorzubeugen, wenn ich regelmäßig alleine mit zwei Gläsern Schnaps in einer Bar sitzen, verbinde ich aber das Schöne mit dem noch Schöneren: Für jeden Gin suche ich mir Verstärkung in Form von einem natürlich absolut kompetenten Trinkpartner. Von Gin-Liebhaber bis Skeptiker. Von “Profi” bis Normalo. Die Spielregeln? Verkostet wird puristisch. Pur + G&T. Infos zum Gin gibt es natürlich auch.

Erstmal aber Butter bei die Fische: Was ist Gin eigentlich?

Gin für Beginner – die Basics: Alles kann, wenig muss!

Gin Botanicals Zutaten

Los geht’s mit einem kleinen Crashkurs in Sachen Wacholderschnaps. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn: Gin ist wandelbar, flexibel und facettenreich, was Herstellung, Geschmack und Aromenkombinationen angeht. Oder wie Lesley Gracie (Brennmeisterin bei Hendrick’s Gin) trocken zusammenfasst:

Die Big Five des Gins sind: Wacholderbeeren, Koriandersamen, Engelwurz sowie getrocknete Zitronen- und Orangenschalen. Ansonsten können Sie alles in Ihren Gin geben, solange Sie damit niemanden umbringen.

Soviel dazu. 😀 (und auch über diese 5-Faltigkeit lässt sich streiten, wie wir noch sehen werden)

Die Geschichte des Gin

Seit wann gibt es Gin überhaupt? Und wie wurde daraus eine solche Erfolgsstory? Fangen wir mit den Basics an:

Wer hat’s erfunden? Die Holländer und ihr “Genever”

Anders als man angesichts von Queen, Gin Tonic und Co. vielleicht denken würde, liegen die Wurzeln des Wacholderschnapses nicht in England, sondern bei unseren Nachbarn in den Niederlanden. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts liest man dort vom “Genever” (oder auch “Jenever”). Mit diesem Wacholder-Destillat sollten ganz löblich ursprünglich Magen- und Nierenleiden behandelt werden. Stattdessen rückte angesichts des guten Geschmacks und der… nunja… angenehmen Nebenwirkungen die medizinische Komponente schnell in den Hintergrund.

Der Leidener Arzt Franz de le Boe machte daraufhin das einzig sinnvolle: 1. Er feilte noch ein wenig am Rezept. Und beauftragte 2. weitere Brennereien, ihn bei der Herstellung des “Genever” zu unterstützen. Denn die Nachfrage wuchs. Die Wacholderbeeren sind übrigens auch Namensgeber des Destillats: “Genever” oder “Jenever” ist vom lateinischen “Juniperus” (= Wacholder) abgeleitet.

London und der “Gin Craze”

Durch die rege Handelstätigkeit der Niederlande trat der “Genever” bald auch seinen internationalen Siegeszug an. Englische Soldaten brachten ihn als “Gin” in das Vereinigte Königreich, wo er aus unterschiedlichen Gründen schnell zur populärsten (weil: günstigsten!) Spirituose wurde. Man förderte die britische Alkoholwirtschaft, um den Import aus Frankreich und Co. einzudämmen. Anfang des 18. Jahrhunderts durfte im Zuge dessen jeder Engländer Gin produzieren (und tat es im Fall von jedem 4. Haushalt). Dies resultierte in einem wahren Gin-Hype (und allgemeiner Trunkenheit) zu Beginn des 18. Jahrhunderts – dem “Gin Craze”.

‘Drunk for 1 penny, Dead drunk for tuppence, Straw for nothing’ – Zeitgenössischer Stich von 1751 (William Hogarth)

Drunk for 1 penny, Dead drunk for tuppence, Straw for nothing’!!

Trotz diverser Versuche, den Konsum von “Mother’s ruin” gesetzlich einzudämmen, trank um 1740 jeder Engländer einen guten halben Liter. Pro Tag. Kinder eingeschlossen. Eltern verkauften ihre Kinder und Frauen prostituierten sich, um sich den nächsten Rausch leisten zu können. Der Londoner “Gin Craze” ebbte erst ab, als zu der gesetzlichen Regulierung steigende Getreidepreise kamen.

Schnaps + Wacholder + X: Was macht Gin zu Gin?

Aber was macht den Wacholderschnaps an sich aus? Wacholder + Schnaps = Gin? Prinzipiell schon, denn Gin ist in erster Linie ein geschmacksneutraler Basisalkohol, der aus landwirtschaftlicher Herstellung stammen muss. Das heißt, gebrannt aus Getreide, Kartoffeln oder anderen landwirtschaftlich gewonnenen Rohstoffen. Zu Gin wird der Basis-Alkohol, indem er nach Gusto mit pflanzlichen Zusätzen, den sogenannten Botanicals, versetzt und aromatisiert wird. Diesen Vorgang nennt man übrigens “Mazeration”. Die neben Wacholder klassisch am häufigsten gebrauchten Botanicals sind: Koriander, Orangen-/Zitronenzeste

Natürlich ist es in der Realität alles tausend mal komplexer: Welche Botanicals werden dem Alkohol hinzugefügt? Kommen alle Zutaten zum selben Zeitpunkt hinzu oder arbeitet man mit verschiedenen Phasen? Wird der Alkohol nach der Mazeration ein weiteres Mal destilliert? Gesüßt? Gelagert?

Weil der Fantasie bei der Auswahl der Botanicals und den Stufen bei der Herstellung  keine Grenzen gesetzt sind, können die Geschmacksprofile der verschiedenen Gin-Varianten auch so extrem unterschiedlich ausfallen. Generell gilt: Gin ist ein Destillat mit Wacholdergeschmack, bei dem der Alkohol unter Zugabe von Wacholderbeeren und ggf. anderen Zutaten geschmacklich aromatisiert wird.

Unterschiedliche Gin-Arten

Lost im Gin-Universum? I feel you. Woher soll man bei der Unzahl an Möglichkeiten auch wissen, was einem warum schmecken könnte? Ähnlich wie bei Rum und Whiskey gibt es aber auch beim Gin eine (quasi klassisch gewordene) Unterteilung in verschiedene Kategorien. Diese ergeben sich aus der unterschiedlichen Herstellung, besonderen Zutaten etc. Ich gehe an dieser Stelle auf die 4 geläufigsten Bezeichnungen ein, die auch als solche von der EU aufgegriffen wurden. Übrigens sollte man nicht soweit gehen, von Qualitätsstufen zu sprechen. Letzten Endes sind es nur Bezeichnungen, die unterschiedliche Herstellungsprozesse kennzeichnen sollen. Heutzutage werden unter der Bezeichnung Gin die wildesten Spirituosen hergestellt – die deswegen aber nicht minderwertiger sind als ein puristischer London Dry Gin.

  • Old Tom Gin – oder: Wie alles begann!

Heutzutage ist der Old Tom Gin so gut wie in Vergessenheit geraten. De facto handelt es sich aber um die noch recht holprige, ursprüngliche Version des Gins – aus einer Zeit, als der Gin Hype London fest in der Hand hatte und nahezu jeder Haushalt seinen eigenen Gin brannte. Mehr schlecht als recht brannte, muss man dazu sagen: Schlechte Zutaten + mangelnde Kenntnis ergaben ein teilweise ungenießbares, teils lebensgefährliches Gesöff. Eine gehörige Portion Zucker machte das Ganze zwar nicht unbedingt besser, übertünchte aber zumindest das Schlimmste. Wie es sich für einen Selbstgebrannten gehört, sind die Regeln bei der Herstellung recht flexibel: Die Botanicals ziehen in der Regel im Alkohol und werden dann zusammen mit diesem destilliert. Das Ergebnis darf im Anschluss durch die Zugabe von Zucker gesüßt werden. Mit dem Aufkommen qualitativ hochwertiger produzierter Gins geriet der Old Tom Gin zunehmend in Vergessenheit, ist aber vor allem für Einsteiger eine schöne Option. Er ist in der Regel rund, vollmundig und nicht so stark auf die Botanicals fokussiert wie die modernen Gin-Varianten.

  • (Distilled) Dry Gin

Im Vergleich zum Old Tom Gin wird die Herstellung des (Distilled) Dry Gin ein wenig strenger reglementiert. Natürliche Aroma- und Farbstoffe dürfen beim Distilled Dry Gin verwendet werden. Weitere Voraussetzungen: Eine zweifache Destillation und der Verzicht auf Zucker. Für die Zugabe der Botanicals gilt übrigens keine strenge Regelung. Sie dürfen zu unterschiedlichen Zeitpunkten während der Herstellung hinzugegeben werden. 

  • London Dry Gin

Wenn man so will, ist der London Dry Gin der Gin mit den strengsten Auflagen und – abgesehen von den erlaubten Botanicals – dem kleinsten Spiel, was die Herstellung angeht. Er wird nach nach bestimmten Vorgaben hergestellt, entspricht also quasi einem “Reinheitsgebot”. Zu den Vorgaben gehört eine dreifache Destillation und die Zugabe der Botanicals während der Destillation. Das Hinzufügen weiterer Zutaten wie Zucker oder etwa Farbstoffen ist bei der Herstellung des London Dry Gin verboten. Vorgeschrieben ist ein vorherrschendes Wacholder-Aroma. Dies lässt angesichts der Möglichkeiten mit zahllosen Botanicals allerdings noch jede Menge Spielraum, was unterschiedliche Geschmacksprofile angeht.

  • New Western Dry Gin

Beim New Western Dry Gin geht der klassische Gin schließlich ganz neue Wege. Ziemlich viel von dem, was in den letzten 10-15 Jahren auf den Markt gekommen ist, fällt unter die Bezeichnung „New Western Dry Gin“. Beim New Western Dry Gin stehen in erster Linie die Botanicals im Vordergrund und lösen Wacholder als unangefochtenen Hauptdarsteller ab. Jetzt kann man natürlich fragen: Was bleibt vom Konzept Gin noch übrig, wenn Wacholder  nicht mehr die zentrale Rolle spielt? Alle anderen zucken aber vermutlich die Achseln und freuen sich über die neue, überbordende Auswahl an spannenden neuen Geschmacksrichtungen. Marken wie Tanqueray, Hendrick’s, aber auch ein ganze Reihe der jüngeren deutschen Gins haben dem Gin eine neue Identität gegeben. Wer experimentierfreudig und neugierig ist, kann hier alle naselang auf neue, exotische Geschmackkombinationen stoßen!